Nun kommt Regen und Gewitter. Das passt trotzdem, denn das Zelt steht auf einem guten Platz und ich sitze unterm Vordächle einer freien Hütte und kann beim Wettern zuschauen. Angekommen bin ich heute in Tana Bru. Ein Ort, nicht mehr weit von der finnischen Grenze, welche ich morgen überschreiten werde.
Während der heutigen Kilometer veränderte sich die Landschaft zusehends. Das schroffe, dunkle Gestein der Nordkapgegend wich einer eher gemäßigteren Landschaft. Die Berge wurden hügeliger, es gibt wieder Bäume, die Farben der Berge wechselten auf weiß/gelb/rötliche Töne. Es gab normale Flussläufe, nicht wie bisher von den Höhen herabstürzende Fälle.
Rentiere bevorzugen offensichtlich dieses Gebiet. Es waren einige Rudel und Einzelgänger zu sehen. Mit dem Zählen der Sichtungen höre ich nun auch auf. Ein Rudel lief vor einer Autokolonne auf der Straße daher. In den langsam hinterher rollenden PKW saßen wohl nur Touristen, niemand wagte es an dem Rudel vorbeizufahren. So ging es im Schritttempo, bis von hinten ein Einheimischer zeigte, wie man das macht. Er überholte die Kolonne und fuhr beherzt bis auf Tuchfühlung an die Rentiere heran. Nach einer kleineren Unruhe in der Truppe trollten sie sich ins Gelände.
Die Region, die Finnmark, welche ich heute durchfuhr, wird teilweise noch von Samen bewohnt, einem Urvolk des europäischen Nordens. Ursprünglich als Nomaden mit ihren Rentierherden unterwegs. Wie so oft in unserer Welt, wurden sie als Minderheit behandelt, wohl auch, weile sie von den christlichen Missionaren kaum zu fassen waren. Sie wurden als Ungläubige entsprechend behandelt. Erst in den 1960er-Jahren konnten sie sich mit der Gründung eines Reichsverbandes in die Politik Norwegens zumindest beratend einbringen. Die meisten Samen leben heute im Großraum von Oslo. In der Finnmark zeigen sie ihre alte Kultur. In kleinen Shops werden traditionell angefertigte Gegenstände, Silberschmuck, Taschenmesser und Rentierfelle, verkauft.
Das Land ist weit, es gibt eigentlich nur Straßen, ein Ort besteht aus einem halben Dutzend Häusern. Nur wenig Abwechslung beim Abspulen der Kilometer.
Tana Bru besteht aus zwei Tankstellen und einigen Shops. Ist „bedeutend“, da der Ort an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt liegt. Die dem finnisch-norwegischen Grenzverlauf folgende Straße, welche als Nord-Südverbindung genutzt wird und die Verbindung nach Russland über den Grenzort Kirkenes, treffen hier aufeinander.
Nördlich von Tana Bru habe ich heute den für die nächsten Tage geltenden Südkurs aufgenommen. Vom Kap ging es zwar auch zunächst in Richtung Süden, jedoch habe ich während der Fahrt noch einige Kilometer in Richtung Osten versetzt. Der Plan ist, dass ich etwa an der Norddspitze Finnlands ankomme, um dann im Landesinneren, durch das Lappland, weiter zu reisen.
Am gestrigen Abend fuhr ich von der im Nebel liegenden Hütte aus noch einmal zum Nordkap. Die im Internet erreichbare Webcam zeigte klaren Himmel über dem Kap. Also nix wie hin. Die Sicht war phantastisch, die späte Sonne, es war kurz vor 23 Uhr, stand noch hoch über dem Horizont. Nur wenige Meter unterhalb des Felsens lag eine dichte Wolkendecke. So konnte ich noch einige Eindrücke ins Digitale transferieren. Die Bilder sind heute dabei.